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„Was treibt uns an?“ Motivation und Frust aus Sicht der Hirnforschung

Ein Besuch auf dem Symposium turmdersinne 2016

Von Cornelia Kirschke, Mitglied im LUXXprofile Marketing Team

Der Lernforscher Prof. Dr. Martin Korte hielt vor 600 Medizinern, Psychologen, Pädagogen und der interessierten Öffentlichkeit die Eröffnungs-Keynote auf dem Symposium turmdersinne 2016 http://turmdersinne.de/de/symposium/symposium-2016/programm. Unter der spannenden Fragestellung „Was treibt uns an?“ gewährten Wissenschaftler vom 30.9. bis 3.10.2016 Einblick in die neuronale Forschung zum Thema Motivation und Frust. Uns interessierte, welche Erkenntnisse sich für die beraterische Praxis gewinnen lassen.

„Das Belohnungssystem regiert und motiviert uns“

Die Forschung von Prof. Dr. Martin Korte an der TU Braunschweig dreht sich um die zellulären Grundlagen von Lernen und Gedächtnis sowie um die Vorgänge des Vergessens. Er erklärte, dass Neugier eine der stärksten Triebfedern für menschliches Verhalten ist. Das Gehirn suche förmlich nach dem Neuen. Neues aktiviere das Erwartungssystem im Gehirn und motiviere zur Handlung. Motivation wiederum fördere die Konzentration. Allerdings gibt es auch feste Routinen im Gehirn, wo Neues das Regelwerk stört. Es sei ein ständiges Ausbalancieren, so der Forscher. Bei der Lernförderung gilt es daher, viel Fingerspitzengefühl aufzubringen, um zu motivieren statt zu demotivieren. Sein Tipp für Motivation und Lernerfolg: Abwägen, wie hoch die Anstrengungsbereitschaft ist, Ziele klar zwischen Unter- und Überforderung formulieren und bei der anschließenden Belohnung auf Überraschung setzen. Individuelles Fördern und Fordern und die Berücksichtigung des Kontextes sind also unabdingbar.

Prof. Dr. Christian Elger von der Uniklinik Bonn machte auf die Kraft des Priming (Bahnung) aufmerksam. Priming, die Beeinflussung des Gehirns durch das Setzen unbewusster Reize vor einer Entscheidung, sei möglich, weil der Mensch – bei aller Individualität – in manchen Fällen nach gewissen archaischen Aspekten entscheide. So lasse sich beispielsweise das Entscheidungsverhalten bei Männern beeinflussen und auf gruppenstatistischer Ebene vorhersagen, wenn es im Wettbewerb passiere oder wenn es um die Ehre gehe. Das Priming beeinflusse verhaltensbestimmend. Dabei würden das Belohnungssystem, implizite Gedächtnisinhalte oder die Angst vor sozialen Sanktionen unbewusst aktiviert. Take-home-message: Das Belohnungssystem regelt alles auf einer übergeordneten Ebene – es regiert uns und motiviert uns. Das Phänomen, dass Entscheidungen klarer werden, wenn man „eine Nacht darüber schläft“, zeige jedoch, dass es möglich sei, das Steuerungssytem zu „überlisten“.

Wie schaffen wir es, das zu tun, was wir wollen?

Wie „jederman“ mittels Mental Contrasting und einfachen Wenn-dann-Plänen nach P. M. Gollwitzer erfolgreich seine Ziele erreichen kann, hat Diplom-Psychologin Bettina Schwörer im Team von Prof. Dr. Gabriele Oettingen in Hamburg untersucht. Mit der WOOP-Methode wurde ein einfaches Konzept entwickelt und in der nicht-klinischen Praxis erfolgreich getestet. Damit können Menschen, die nachhaltige Verhaltensänderungen anstreben, ihre Ziele selbständig umsetzen. Tipp: Das Video auf: http://woopmylife.org/home-de

Dass bei Willenskraft (Selbstkontrolle) und Willensschwäche (eingeschränkte Selbstkontrolle) kognitiven Prozesse im Gehirn ablaufen, konnte Prof. Dr. phil. Thomas Goschke mit einem interdisziplinären Team an der TU Dresden nachweisen. Die Beschaffenheit und Aktivierung von nacheinander geschalteten neuronalen Netzwerken seien dafür verantwortlich, dass der eine selbstkontrolliert seine Ziele verfolge und der andere impulsiv handle. Goschke lässt sich jedoch nicht auf die Verallgemeinerung ein, dass es „willensschwache und willensstarke“ Menschen gibt. Zu groß seien die individuellen Unterschiede. Erkenntnis: Jeder hat individuelle Fähigkeiten, mit Willensstärke umzugehen. Ein passendes Bild hierfür liefert der Wissenschaftler gleich mit: Odysseus lies sich an den Schiffsmast anbinden, um den Sirenen zu widerstehen. Er plante vorausschauend, um einer bevorstehenden Versuchung gezielt aus dem Weg zu gehen.

Dass es affektregulatorischer Kompetenz bedarf, wenn man Ziele umsetzen will, hat die Motivationspsychologin Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Marlies Pinnow an der Ruhr-Universität Bochum herausgefunden. Dabei hat sie die „Grübler“ (Lageorientierte) den „Machern“ (Handlungsorientierte) gegenüber gestellt. Ihr Fazit: Erkenne dich selbst!

Die Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Birgit Spinath hat aufgezeigt, dass die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung ein hoher Motivator und der Schlüssel zu besserer Leistung ist. Am Beispiel von geschlechterspezifischer Leistungen in MINT-Fächern hat sie untersucht, wie die Selbstwahrnehmung bei Kindern zugunsten von Leistungssteigerung gestärkt werden kann. Take-home-message: Leistung ist vor allem von Rahmenbedingungen abhängig.

Fazit: Die Komplexität des Gehirns bildet sich in der Forschung ab. Die Fragestellungen, Hypothesen und Umfelder, in denen geforscht und experimentiert wird, sind überaus vielfältig. Übertragen auf die Beratung lässt sich resümieren: Diese kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie individuell ist und aus dem Kontext heraus betrachtet wird.